Project Metamorpheus
(Interviews und Texte: Mirjam Wilhelm)
Menschen führen oft mehr als nur ein Leben, z.B. ein bürgerliches Dasein und eines außerhalb der Norm.
In dieser journalistischen Portraitserie geht es um das "Dunkle Ich", das die Personen mit sich tragen und sich darin verwandeln und wiederfinden. Es sind Personen, die der "Schwarzen Szene" oder "Gothic-Szene" zugerechnet werden. Ihr Ursprung liegt zum großen Teil in der Musik und Jugendkultur der 80er Jahren. Bands wie The Cure, Depeche Mode, Joy Division und viele andere haben die "Schwarze Szene" beeinflusst,. deren Thema Tod, Trauer, Vergänglichkeit aber auch Identität und Existenz ist. Sie spielt in ihrer Mode, Musik und Literatur mit Hinweisen auf diese Themen und benutzt dazu diverse Symbole, Fetische und Totems aus dem Schattenreich.
Diese Szene war nie besonders politisch oder sozialkritisch wie z.B. die 68er, die Friedensbewegung oder die Punks und wurde deshalb nur am Rande der Öffentlichkeit als exotisch wahrgenommen. Manch "Normalbürger" mag sich wundern, was für seltsam dunkel gekleidete Gestalten er in den Strassen manchmal sieht. Sie alle haben eine andere Geschichte und Gründe, warum sie sich dieser relativ kleinen und friedlichen Szene zugehörig fühlen, die ganz für sich ist und ihre eigene Kultur iund Identität hat.
![T.R. Lily: Vom Bürosessel zum Vamp auf der Bühne](/content/portrait-people/metamorpheus/TR Lily.jpeg)
T.R. Lily: Vom Bürosessel zum Vamp auf der Bühne
Für T.R. Lily kam der Weg zur Gothic-Szene über die Musik. Bis zum Alter von etwa 15 Jahren war Depeche Mode das „dunkelste“, das sie gehört hat, erzählt T. Von einer Gothicszene wusste sie damals noch nichts. Dann kam der Tag, an dem ihr damaliger Freund ihr eine Maxisingle von Anne Clark mitbrachte – diese Musik war neu für sie und sie war sofort begeistert. Ein zweites Erlebnis, das prägend für T. war, war dann ein Besuch im legendären Ratinger Hof in Düsseldorf. Hier hörte sie den Song „Killing An Arab“ von The Cure zum ersten Mal, und damit war klar, in welche Richtung ihr Weg geht. „Anne Clark und The Cure waren die Auslöser“, erinnert sie sich. Gleichzeitig mit der für sie neuen Musik kam ihre Vorliebe für schwarze Kleidung. Damals gab es noch nicht so viele Modelabels aus der Szene, so hat sich T.R.Lily ihre Outfits selbst zusammengesucht – zum Teil auch in Sex-Shops. „Es war damals kreativer und unterschiedlicher als heute“, erinnert sie sich. Die Vorliebe für schwarz ist geblieben, die Auswahl der Kleidung im Gothic-Stil ist nun natürlich größer und der Markt deutlich breiter als damals. T.R. Lily ist selbst auch Musikerin, sie hat mit Flingern Attac ihre eigene Electro-Formation und steht als Bassistin und Sängerin auf der Bühne. Inspiriert wird sie von der Düsseldorfer Szene, nicht nur von Kraftwerk, sondern auch Bands wie Fehlfarben zählt sie zu ihren Einflüssen – aber natürlich auch von englischen Bands, die früher bereits mit dem Label Mute Records nach Deutschland kamen. Für T. R.Lily bedeutet die Metamorphose vom Alltag zur dunklen Seite vor allem der Wechsel von ihrer beruflichen Seite als Personalsachbearbeiterin zur Musikerin auf der Bühne. Im Job möchte sie ihre „dunkle Seite“ mittlerweile nicht mehr zeigen, erzählt sie. In der Vergangenheit sei es ihr öfter passiert, dass sie aufgrund ihrer schwarzen Outfits seltsam angeschaut wurde und immer wieder Fragen dazu beantworten musste. „Ich wollte dann irgendwann gar nicht mehr, dass man in der Arbeit so viel über mein Privatleben weiß oder vor allen Dingen mutmaßt“, erklärt sie. „In dem Beruf, in dem ich bin, klappt das nicht“ Nun trägt T.R. Lily beruflich ihre „normale“ Alltagskleidung, in der sie im Büro nicht auffällt und sie sich nicht immer wieder erklären muss. So trennt sie ihre beiden Seiten strikt, wie auch auf den Fotos zu sehen ist.
![Nicole: "In meinem schwarzem Outfit fühle ich mich nicht mehr als Opfer."](/content/portrait-people/metamorpheus/Nicole.jpg)
Nicole: "In meinem schwarzem Outfit fühle ich mich nicht mehr als Opfer."
Zur Gothic-Szene kam Nicole in erster Linie über die Mode. Im Alter von etwa 18 Jahren hat sie sich bereits für „freakige Sachen“ interessiert, erzählt sie. Zufällig entdeckte sie einen Second-Hand-Laden, in dem sie viele original Kleider aus den 50er und 60er Jahren kaufte. Ihre Vorliebe für Schwarz kam etwas später, als sie zunächst schwarze Strümpfe für sich entdeckte. Zusammen mit einer alten, aus der Familie geerbten schwarzen Bluse mit Spitzenkragen und einer glänzenden lila Hose war ihr erstes Gothic-Outfit perfekt. Auch weiterhin war Nicole Fan von Second-Hand- Klamotten, aber sie färbte schließlich alles schwarz ein, weil das, wie sie merkte, am besten zu ihr passte und sie sich darin am wohlsten fühlte. Von da an lief sie privat am liebsten in schwarz herum. Das war ihr Ausgleich zum Bürojob als Assistentin, in dem sie stets freundlich zu sein hatte und sich so kleiden musste, wie die Chefin das wollte. Für Nicole waren ihre schwarzen Outfits die Möglichkeit, ihr wahres Ich zu zeigen – im Gegensatz zur angepassten Kleidung im Job. Später lebte sie das auch bei verschiedenen Rollenspielen, zum Teil auf Friedhöfen aus, in denen sie aufwendige Outfitsmit unterschiedlichen Perücken trug. Eine dunkle Seite ist auch in ihr vorhanden, erzählt Nicole. 1984 hatte sie ein furchtbares Erlebnis, das ihr normales Leben für etwa zehn Jahre unterbrach. “Ich habe etwas überlebt, von dem mir hinterher die Ärzte gesagt haben, dass so etwas noch niemand jemals unbeschadet überlebt hat”. Sie wurde von einem Triebtäter hinterrücks überfallen und gewürgt. Sie hatte die schreckliche Panik, er würde sie zu Tode strangulieren. Glücklicherweise konnte sie sich wehren und entkommen, aber sie war dadurch schwer an der Kehle verletzt. Dieses Ereignis hat Nicole total verändert. Einige Jahre später geriet Nicole wieder in eine grauenvolle Situation: Sie wurde auf der Straße verprügelt - so schlimm, dass ihr ganzes Gesicht schwarz war wegen der Blutergüsse. In ihrem Unterbewusstsein war Nicole immer wieder das Opfer, ohne dass sie erstmal etwas dagegen tun konnte. Das wurde ihr allerdings erst später bewusst. Und so schlitterte sie im Leben immer wieder in diese Opferrolle. Ihr ging es so schlecht, dass sie ihren Job eine Zeitlang gar nicht mehr ausüben konnte. Mittlerweile hat Nicole gelernt, damit umzugehen und sich zu wehren, sie hat zu sich selbst gefunden. Eine große Rolle in ihrem Selbstbild spielen dabei ihre schwarzen Outfits. Wenn sie sich so kleidet, wie sie das selbst möchte und wie sie sich gut und selbstbewusst fühlt, ist sie nicht mehr das Opfer. Dann kann sie jemanden, der sie bedroht, in die Schranken weisen und “Stop” sagen. Die Metamorphose von ihren Alltags-Outfits zum Gothic Look bedeutet für Nicole heute vor allem eines: Freiheit und Selbstbestimmung. Sie fühlt sich nicht mehr ständig unter Beobachtung wie im Büro, kann sich zeigen und geben, wie sie wirklich ist. Nicole fühlt sich in ihren schwarzen Outfits selbstbewusst, sie lässt sich nicht mehr alles bieten und kann ihre Gefühle ausdrücken. Endlich glaubt sie nicht mehr, allen gefallen zu müssen.
![Yulia: Kunsthistorikerin, Stadträtin & Domina](/content/portrait-people/metamorpheus/Yulia.jpg)
Yulia: Kunsthistorikerin, Stadträtin & Domina
Yulia oder Vivian Vaine? „Ich bin irgendwie beides“, erklärt sie. Daher nennen wir hier sowohl ihren richtigen Namen, Yulia, als auch ihr Pseudonym. Ihr Outfit wählt Yulia je nach Stimmung und je nachdem, was sie gerade ausdrücken möchte. Wenn sie sich nicht richtig wohl fühlt, zieht sie sich auch eher schlicht an. Wenn sie allerdings gut drauf ist, dann mag sie es sehr, sich richtig „aufzuhübschen“, erzählt Yulia. Mit ihrer Kleidung drückt sie sich gerne ganz unterschiedlich aus und zeigt sich immer wieder anders. Mal männlicher, mal weiblicher, mal sportlicher, oder auf aufwändiger und unbequemer. Zum Beispiel hat Yulia früher auch privat gerne Korsetts getragen, jetzt ist sie davon wieder etwas weggekommen. Aber ihre Outfits sind für Yulia das, womit sie sich ausdrückt. Wenn sie Latex trägt, wie auf dem einen der beiden Fotos zu sehen ist, fühlt Yulia sich auf jeden Fall anders. „Latex ist ein besonderes Material, das ich jetzt nicht jeden Tag trage“, erklärt sie. Wenn Yulia es trägt, dann verwandelt sie sich beruflich in die Domina oder besucht privat Fetischpartys. Die Gothicszene entdeckte die gebürtige Russin, als sie im Alter von knapp 16 Jahren mit ihren Elternhaus Sankt Petersburg nach Deutschland kam. Davor hatte sie zwar schon Musik aus der dunkleren Richtung gehört, aber „so etwas wie Gothic kannte ich in dem Sinne nicht“. Auch den Stil gab es in Russland damals so nicht, erzählt Yulia. Allerdings hat sie sich unbewusst bereits in jüngeren Jahren schon immer zur dunklen Seite hingezogen gefühlt, auch in der Literatur. Edgar Allan Poe hat sie zum Beispiel begeistert gelesen. Ihren ersten Kontakt zur Gothicszene in Deutschland hatte Yulia in Leipzig, wo sie zuerst gelebt hat. Hier sah sie plötzlich viele Leute, die im Gothic-Stil gekleidet waren, und war fasziniert. „Ich dachte zuerst, da wird ein Film gedreht“, lacht sie. Die Menschen in den schwarzen, viktorianischen Outfits fand sie wunderschön, konnte sie aber nicht richtig einordnen. Das kam dann mit der Zeit, als sie sich mehr damit beschäftigte und sich mit der Musik und der schwarzen Kultur auseinandersetzte. Nach ihrer ersten Gothicparty, etwas später mit Freunden in Osnabrück, blieb sie dabei. Die Texte der neu entdeckten Musik, zum Beispiel Bands wie Lacrimosa, halfen Yulia dabei, Deutsch zu lernen. Endlich fühlte sie sich in Deutschland auch integriert, sie war in ihrer ganzen Lebenseinstellung in der schwarzen Szene angekommen. Eigentlich wollte Yulia mit 18 Deutschland wieder verlassen und zurück in ihre Heimat, weil sie sich nicht wirklich angekommen fühlte. In der Gothic-Szene hat sie aber letztendlich ihre Heimat gefunden. „Goth ist man, und dann ein Leben lang, oder man ist es eben nicht“.
![Sophie: Sozialarbeiterin](/content/portrait-people/metamorpheus/Sophie.jpg)
Sophie: Sozialarbeiterin
Sophie ist schon seit vielen Jahren in der Subkultur unterwegs. Zuerst war es die Metalszene. Im Alter von 13, 14 Jahren trug sie meist ihre Kutte und zeigte das riesige Metallica-Batch auf der Rückseite. Aber schon bald wurde es „gruftiger“, erzählt sie. In dem kleinen Ort, in dem sie aufwuchs, gab es allerdings keine richtige Gothic-Szene. So hat Sophie dann im Internet Kontakte gefunden. „Damals hat es sich mir erst erschlossen, was das für eine riesige Subkultur ist!“ Post-Punk, Wave, Neo-Folk – das war im Teenie-Alter neu für Sophie, aber sie merkte, dass es genau ihr Ding war. Mit der Musik entdeckte sie dann auch die schwarze Kleidung. „Die Ästhetik fand ich immer schön“, erzählt sie. „Die Melancholie, die auch in der Musik oft mitschwingt, drückt sich auch in dem Kleidungsstil aus. Das fand ich ganz passend“. Sophie hat selbst auch eine dunkle Seite, die sie mit ihrer schwarzen Kleidung zeigt: „Ich beschäftige mich viel mit den Themen Sterben und Tod. Es interessiert mich sehr, wie früher mit dem Tod umgegangen wurde, welche Volksglauben es gab, wie das Thema in der Kirchengeschichte behandelt wurde. Ich habe viele Bücher darüber gelesen und jetzt auch Podcasts für mich entdeckt, die sich damit auseinandersetzen. Hoaxilla zum Beispiel greifen das manchmal auf oder Kaptorga, die im historischen Kontext vieles erklären. Früher war der Tod viel mehr im Alltag eingebunden“, erzählt Sophie. In ihrer ersten Ausbildung als Zahnarzthelferin musste Sophie ihren Kleidungsstil dem Job anpassen. Schnell merkte sie, dass dies nicht ihr Weg war. Sie begann mit einem Studium im sozialen Bereich und wusste bald, was ihre Berufung ist: Sozialarbeiterin. In diesem Beruf konnte sie sich auch äußerlich wieder selbst mehr entfalten. Heute kann sie im Job auch schwarz tragen und ihren persönlichen Stil ausleben, wie auf dem Foto zu sehen ist. Privat auf Festivals oder Gothic-Veranstaltungen zeigt Sophie aber gerne noch eine andere Seite von sich, wie das zweite Bild zeigt: Im viktorianischen Stil mit einem aufwendigen, handgefertigten Kopfschmuck, mit dem sie auch das Motiv „Memento Mori“ – das Bewusstsein der Sterblichkeit – ausdrückt. Ein Leitbild in Sophies Leben. Für sie ist diese Kleidung allerdings kein „Kostüm“, wie sie betont. Sie fühlt sich darin nicht verkleidet, sondern es ist für sie ein Outfit, in dem sie sich gut fühlt und das sie bei besonderen Gelegenheiten trägt. So wie andere eben ein Abendkleid oder einen Anzug zu einer Hochzeit oder für einen schönen Restaurantbesuch tragen, ist dieses viktorianische Kleid ein schönes Outfit für besondere Gelegenheiten.
![Bianca: Verkäuferin](/content/portrait-people/metamorpheus/Bianca.jpeg)
Bianca: Verkäuferin
Ihre dunkle Seite hat Bianca schon vor langer Zeit entdeckt. „Schwarz fand ich schon immer schön“, erinnert sie sich. Leder trägt sie besonders gerne, aber auch Fetisch-Elemente und rockige Accessoires mixt sie gerne in ihre Outfits. Musikalisch richtet sich Bianca eher nach den 80ern, das ist die Musik, die sie gerne hört – Depeche Mode zum Beispiel gehören zu ihren Lieblingsbands. Auf Festivals sieht man Bianca eher selten, aber sobald es wieder eine Möglichkeit gibt, möchte sie auf jeden Fall gerne eine Gothic-Veranstaltung besuchen. Die Metamorphose zwischen ihrer alltäglichen und ihrer dunklen Seite zeigt Bianca in ihrer Kleidung. Privat trägt sie oft hohe Stiefel mit Absätzen, Leder, und vor allem Röcke – in ihrem Beruf als Verkäuferin im Lebensmitteil-Einzelhandel muss sie Hosen tragen. Auch Schuhe und Oberteil werden ihr bei der Arbeit vorgeschrieben, da die Kleidung bei ihrem Arbeitgeber einheitlich ist. Das ist ihr zu langweilig,da man damit „immer gleich aussieht“. Daher setzt Bianca privat die Gegensätze und zeigt sich von ihrer eigentlichen Seite, so wie sich wohl fühlt. Das darf dann gerne schwarz, auffällig und sexy sein. Das Outfit, das sie auf dem einen der beiden Fotos zeigt, trägt sie gerne zum Ausgehen. Damit zeigt sie ihre eigentliche Persönlichkeit, die sie besonders macht. Für Bianca macht es für ihr eigenes Gefühl und ihre innere Haltungeinen Unterschied, wie sie sich kleidet. In Stiefeln mit hohen Absätzen fühlt sie sich weiblicher und selbstbewusst, so kann sie ihr wahres Ich zeigen – im Gegensatz zur Einheitlichkeit im Beruf.
![Uschi: Hochzeitsplanerin und "Schwarzmamsell"](/content/portrait-people/metamorpheus/Uschi.jpg)
Uschi: Hochzeitsplanerin und "Schwarzmamsell"
Uschis Weg in die schwarze Kultur führte über die Mittelalterszene. Gemeinsam mit ihrem Mann besuchte sie regelmäßig Festivals und Konzerte, und langsam lernten sie dann auch die Gothicszene kennen. Auf dem Blackfield Festival hat es dann „Bang“ gemacht, erinnert sie sich. Von da an fing sie an, sich schwarz zu kleiden und sich für die schwarze Szene zu interessieren. Seit 2014 zählt sie sich zu den Goths. Wenn es um Mode geht, schwärmt sie von der viktorianischen Epoche, wie auch auf dem Foto zu sehen ist. Hier trägt sie das „Feuerkleid“. In dieser Robe, die sie auch auf ihrer Feier zum 30. Hochzeitstag getragen hat, fühlt sie sich als komplett anderer Mensch. „Man steigt aus dem Alltagsgeschehen aus und schlüpft in eine andere Rolle“, beschreibt sie es. „Man fühlt sich freier und ungebundener“. Der Respekt und die Höflichkeit in der Gothic-Szene sind auch Eigenschaften, die Uschi angezogen und begeistert haben. So haben sich für sie und ihren Mann viele neue Freundschaften, verteilt über die ganze Welt, ergeben. In der Goth-Szene und den dazu passenden Outfits, kann sie sich richtig ausleben und ein ganz anderer Mensch sein als im Alltag – hier fühlt sie sich zuhause. Auch beruflich hat sich durch die Gothic Szene für Uschi, die eigentlich Sporttherapeutin ist, vieles geändert: Sie hat sich nun selbständig gemacht als Hochzeitsplanerin speziell für schwarze Hochzeiten. Denn, wie sie bei ihrer eigenen Feier festgestellt hat, ist das eine Marktlücke. So stieß sie bei ihrer Planung oft auf irritierte Gesichter und Unverständnis, wenn sie sich spezielle Gothic-Deko, etc. wünschte. Jetzt hofft Uschi sehr, nach der Pandemie damit durchzustarten und ihre Liebe zur schwarzen Szene dann auch beruflich auszuleben.
![Nephalim von Drachenberg: Pflegekraft in der Geriatrie](/content/portrait-people/metamorpheus/Nephalim.jpeg)
Nephalim von Drachenberg: Pflegekraft in der Geriatrie
Nephalem ist ein Mischwesen aus Engeln und Dämonen. Die Nephilim sind gezeugt von göttlichen Wesen und Menschenfrauen, man könnte sagen, eine Mischung aus Engel und Mensch. Nephalimvon Drachenberg hat ihren Namen daran angelehnt, eine Hommage an ihre Faszination für Engel. Zwei Engelsflügel, Tattoos auf ihrem Rücken, warten noch auf ihre Vollendung. Ihr Hang zur schwarzen Szene war immer schon da, erzählt Nephalim. „Ich habe schon als Kind gemerkt, dass ich anders war als andere. Aber die Bezeichnung ‘Gothic’ kannte ich früher gar nicht. Ich komme aus der DDR, da gab es das sowieso nicht. Aber in der Pubertätsphase, in der ich auch selbst bestimmen konnte, was ich anziehe, wurde es immer schwarz. Das war einfach in mir drin, das kam von selbst. Ich sage immer, man kann kein Goth werden. Man ist es oder nicht“. Obwohl sie sehr lustig sein kann und sich offen auf ihrem eigenen Instagram-Channel zeigt, beschreibt sie sich selbst als introvertiert. „Ich bin die erste, die bei einer Party verschwunden ist, wenn sie überhaupt kommt.“ Große Menschenansammlungen sind ihr unangenehm. Nephalim bleibt lieber für sich und macht sich viele Gedanken über die Menschheit. „Ich bin der Überzeugung, dass der Mensch an sich dumm ist“, stellt sie fest. “Die Menschen machen sich gegenseitig fertig und denken nicht darüber nach, warum der andere etwas tut. Sie denken nicht über die Hintergründe nach.“ Ihr ist jedoch stets bewusst, dass andere Menschen eigene Gründe für ihr Handeln haben, und so kann sie wiederum jemandem nie wirklich böse sein. Empathie ist ihr sehr wichtig. In ihrem Beruf muss Nephalim Berufskleidung tragen und kann sich nicht im Gothic-Look zeigen. Privat tauscht sie dann die Krankenhauskleidung gegen ihre schwarzen Outfits aus und zeigt eine ganz andere Seite, wie auf dem Foto zu sehen ist. „Ich lege viel Wert darauf, dass ich mich von der Masse abhebe, weil ich anders bin. Das sollen die Leute auch gerne sehen“. Nur angesprochen werden möchte sie nicht, sie bleibt lieber zurückhaltend – was manchmal im Gegensatz zu ihrem Äußeren steht. „Es sind zwei Welten“. Vielleicht vereint Nephalim die menschliche Welt und die der Engel in sich.
![Claudia: „Es war immer viel Dunkelheit in meinem Leben“](/content/portrait-people/metamorpheus/Claudia.jpg)
Claudia: „Es war immer viel Dunkelheit in meinem Leben“
Claudia lebt heute ganz in schwarz. Im Alltag cool und modern, zu besonderen Anlässen macht sie eine Zeitreise ins viktorianische Zeitalter. Das war nicht immer so: Bis zum Abitur kleidete sie sich bunt. Heute erinnert sie sich aber, dass sie die „dunklere“ Musik immer schon mochte, zum Beispiel Depeche Mode, Sisters of Mercy oder Camouflage. „Das war Musik, die mich immer schon angesprochen hat, ich habe das aber noch nicht verknüpft“, erzählt sie. Erst ab dem Ende ihrer Schulzeit kam das dann fließend, sie fand immer mehr zu ihrem eigenen Stil. Ein besonders prägender Moment war, als Claudia aus einem Sommerurlaub zurückkam und sie mehrfach auf ihre immer noch helle und so gar nicht gebräunte Haut angesprochen wurde. Sie wollte sich dazu nicht immer wieder erklären, und damit wurde ihr klar: So ist sie einfach, ihr Äußeres zeigt genau ihre Persönlichkeit. Helle Haut und schwarze Kleidung. „Das war für mich wie ein Befreiungsschlag!“ Aufgrund ihres Aussehens wurde sie sowieso schon als Goth angesehen, jetzt lebte sie das endlich auch aus. Auch ein modischer „Ausreißer“, eine Zeit zwischendurch, in der Claudia den Stil der 30er und 40er Jahren – in großer Bewunderung für Dita von Teese - für sich entdeckte, konnte an ihrer dunklen Seite nichts ändern. Sie fand wieder zurück zum Gothic-Style, allerdings war ihr immer schon eines wichtig: Anders zu sein als der Durchschnitt. „Die Leute gucken und machen Sprüche, aber du kannst es selber steuern. Du hast ja entschieden, wie du aussiehst. Das fühlte sich gut an.“ Nach der Vintagephase, in der sie sich nicht hundertprozentig wohl gefühlt hatte, war Claudia nun in der Goth-Szene angekommen. Es passte alles: Die Musik, die Optik – „es fühlte sich wie zuhause an!“ Sie besuchte Konzerte von VNV Nation, the Mission, Sisters of Mercy und vielen anderen, auf Festivals wie dem Amphi ist sie regelmäßig zu sehen. In der Szene fühlte sie sich nun angekommen und aufgehoben. Die Vielfalt, die unterschiedlichen Menschen und die Toleranz machen es für sie aus. „Jeder lebt sich aus, jeder darf mutig sein und es ist absolut friedlich“. Claudia hat selbst auch eine dunkle und traurige Seite in sich, die aus ihrer Vergangenheit herrührt. Sie wuchs mit jemandem aus ihrem engsten Umfeld auf, der unter schweren Depressionen litt. Auch einen Suizidversuch dieses engen Familienmitglieds musste sie miterleben. „Es war immer sehr viel Dunkelheit in meinem Leben“, erinnert sie sich. In der Goth-Szene fühlte sie sich auch deswegen aufgenommen und aufgehoben, da man dort auch Traurigkeit zeigen darf, ohne dass man seltsam angeschaut wird. „Es war ein umarmt werden“, beschreibt sie es. Nachdem sie viele Jahre lang nach außen hin immer so getan hat als sei alles in Ordnung, musste sie das nun nicht mehr. Endlich konnte Claudia sie selbst sein und ihre melancholische Seite zeigen. Claudia zeigt sich auf beiden Bildern in schwarz. Auf dem einen offenbart sie ihre Liebe zum viktorianischen Zeitalter. Für die Kleider, die Rüschen und die hochgeschlossenen Blusen hat sie schon lange eine Schwäche. Zum Teil hat sie sich in den vergangenen Jahren auch im Alltag mit viktorianischen Details gezeigt. Sie ist großer Fan des mittlerweile verstorbenen Modedesigners Alexander McQueen, der oft mit viktorianischen Elementen gespielt hat. Heute trägt sie es nur noch zu besonderen Anlässen, zum Beispiel einem viktorianischen Picknick, wo sie dann diese Seite von sich zeigt. Im Alltag trägt sie ebenfalls nur schwarz, aber einen ganz anderen Stil, wie auf dem ersten Foto zu sehen ist: Avantgardistisch und edgy. Das passt für sie am besten, so zeigt sie heute ihre Persönlichkeit - modern und cool. Ob viktorianisch oder klassisch-cool: In der Goth-Szene ist Claudia zuhause. „Man gehört zusammen, ich gehöre dahin, und das ist gut so!“
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